Plopp. Macht es in meinem Kopf. Und nochmal plopp. Jetzt weiter hinten. Nach kurzer Zeit blubbert es in meinem Gehirn wie in einem Gläschen Sekt. Dabei habe ich gar nichts getrunken. Berauscht bin ich trotz aller Nüchternheit - und zwar von der Stille und der Weite um mich herum.
Dabei hat es gar nicht so gut angefangen. Unsere Ankunft in den Masuren war vor allem eins: verregnet. Statt einem sonnigen Tag am See verbringen wir einen nassen Nachmittag auf 3qm Bulli. Edith, so heißt der Bus, hinterlässt eine tiefe, matschige Spur auf dem Weg zu ihrem Standort. Wir ziehen uns mit Buch und Tee zurück und schwören uns, dass das Wetter morgen besser wird.
Und so ist es dann auch. Die Sonne strahlt, vielleicht ein bisschen zu sehr. Während wir von Krutyn nach Ukta paddeln, wo unser Bus auf der Apfelbaumwiese hinter dem Haus der netten polnischen Familie steht, brauen sich schwarze Gewitterwolken über uns zusammen. Wir paddeln etwas schneller. Während wir also versuchen den geladenen Teilchen über uns auszuweichen, frage ich mich, warum die Krutynia angeblich zu den schönsten Paddelstrecken Europas zählt. Gewiss, es ist schön. Sehr schön sogar. Aber das ist der Spreewald auch. Die vielen anderen Paddler vor uns, neben uns und hinter nehmen uns das Gefühl auf mutiger Expedition zu sein. Die meisten von ihnen haben Bierdosen im Getränkehalter, die Füße oben. Sie reden laut und die Graureiher haben längst das Weite gesucht, bis wir um die Kurve kommen. Am Campingplatz angekommen hieven wir das Boot an Land. Neben uns hat eine polnische Paddler-Familie ihre Zelte aufgeschlagen, wir verbringen den Abend mit ihnen am Lagerfeuer. Marek ist 2. Steuermann bei einer polnischen Reederei und bringt regelmäßig die Fracht von Gdansk nach Norwegen und zurück.
Am nächsten Morgen steigen wir wieder ins Boot. Es heißt, der Abschnitt zwischen Ukta und Iznota sei einer der schönsten der Strecke. Wenige Tagespaddler sind unterwegs und die meisten von ihnen steigen spätestens bei Nowy Most aus. Marek und seine Familie überholen uns - die Kinder müssen mal raus, rufen sie uns im Vorbeifahren zu. Die Natur wird mit jedem Paddelschlag dichter, weiter, wilder. Als wir in den ersten See einfahren, bin ich sprachlos. Mein Herz beginnt zu hüpfen und mein Kopf zu prickeln. Der Gartensee ist auf der ganzen Fläche mit Pflanzen bewachsen, an den Rändern steht dichter Wald. Vögel steigen auf und ab, die Enten ziehen Kreise um unser Boot. Am Himmel tummeln sich einige weiße Wolken, die sich im Wasser spiegeln und die Linie zwischen Horizont und Erdkruste verschwimmen lassen. Außer uns ist niemand. Der letzte Ort liegt Kilometer zurück. Es ist Stille. Mit unserem Kanuführer und GPS finden wir die im Schilf versteckte Ausfahrt zum nächsten See, der den Gartensee an Weite, Ruhe und Faszination noch überbieten kann. Ich frage mich, ob der Empfang ausreichen würde, um einen Youtube-Crahskurs "Überleben in der Wildnis" zu absolvieren. Dann könnten wir einfach für immer hier bleiben.
Wir ziehen weiter, unwillig schieben wir unser Boot mit jedem Paddelschlag vorwärts. Wir wissen, das Ende der Strecke naht. Dabei haben wir doch das Gefühl, gerade erst angekommen zu sein. Der Verleihservice bringt uns zurück zu Edith in Ukta. Wir treffen Marek und seine Familie, sie brechen die Zelte ab. Wir machen ein Lagerfeuer, halten unsere Stöcke in die Glut und genießen den letzten Sonnenuntergang unserer Reise in den Masuren. Fest steht: Wir werden wieder kommen. Die großen Seen erkunden, weiter paddeln.
Tipps für Camping, Bootsverleih und Lektüre
Camping
Der Campingplatz Nad rzeka von Teresa und Kazimierz Waijs liegt in Ukta und kann sowohl vom Wasser als auch von der Straße angefahren werden. Eigentlich ist es mehr eine große Wiese mit vielen Apfel- und Pflaumenbäumen, die hinter dem Haus der Familie liegt. Die holzbefeuerte Dusche war eine der besten unseres Lebens, auf dem Platz gibt es auch eine Sauna, ein Volleyballfeld und kleine Hütten zum Sitzen und Kochen, wenn es regnet. Die Toiletten waren stets tiptop sauber. Familie Wajs ist herzlich, gastfreundlich und sehr sympathisch - Teresa und ihre Tochter sprechen deutsch. Eine ideale Startbasis für Ein- oder Mehrtagestouren und eine volle Empfehlung von uns. In Ukta selbst gibt es zwei kleine Tante-Emma-Läden und einen Stand mit Räucherfisch, ein oder zwei Restaurants, jedoch keinen Geldautomaten.
Bootsverleih
Der Bootsverleih AS-Tour in Krutyn hat eine große Auswahl an Booten - auch sportliche Modelle sind darunter. Eine deutsche Webseite und deutsprachiges Personal helfen bei der Boots- und Tourenauswahl. Von Ein-Tages-Touren bis hin zu geführten Wochentouren ist alles im Programm. Zuverlässig, gutes Preis-Leistungs-Verhältnis.
Lektüre
Der Outdoor-Reiseführer "Polen: Kanutouten in Masuren" von Stein ist nicht der aktuellste, leistet aber hervorragende Dienste. Genaue Wegbeschreibungen und viele Hinweise zu Rast- und Einkehrmöglichkeiten machen ihn zum idealen Begleiter bei einer Wassertour. Einige Inforamtionen sind nicht mehr ganz up-to-date, bei wichtigen Punkten wie streckentechnisch wichtigen Campingplätzen vor der Reise besser noch einmal im Internet recherchieren.
Der Reiseführer "Masuren - Danzig -Marienburg" von Dumont ist bestens recherchiert, mit vielen Insidertipps und schönen Hinweisen für einen gelungenen Urlaub in den Masuren. Volle Punktzahl von uns.
Polen - Ostseeküste und Masuren von Reise Know-How ist gespickt mit tollen Infos und guten Beschreibungen. Insbesondere die Hinweise zum Verkehr waren für uns Gold wert. Aber auch die Hinweise zu Campingplätzen, Restaurants, Land und Leuten waren stets hilfreich und zuverlässig. Klare Empfehlung.