Bayern. Das Land der CSU, der Seehofers und Stammtische, der Bierhumpen und der Grenzzäune. Mein Mann und ich, Mitte 30, im normalen Leben in Berlin Kreuzberg wohnend, sitzen im Auto auf dem Weg in den bayerischen Wald. Den Kofferraum voller Nudelsalat und Wanderequipment. Im Bauch ein mulmiges Gefühl. Bayern und wir. Geht das gut?
Jawohl. Sehr sogar. Zum Urlaub machen ist es quasi wie für uns gemacht. Als wir in Konzell ankommen werden wir von Nicola und ihrer Familie herzlich empfangen. Apfelkuchen am Familientisch, ein bisschen Schlagsahne oben drauf. Und die Ferienwohnung im Seitengebäude des alten Hofes ist kaum noch zu überbieten: Modern, sauber, urig, mit schöner Aussicht und einem Kaminofen, der für Wärme und Gemütlichkeit sorgt. Die geschmackvolle Einrichtung stellt sofort ein inneres Wohlgefühl her. Das werden wir auch brauchen in den kommenden Tagen. Denn während wir Ferien machen, spielt das Wetter verrückt. Regen, Schnee, Sturm, Sonne. Alles da, alles im Wechsel. Die Hälfte der Zeit sitzen wir also - die Füße in Wollsocken und eine Tasse Tee in der Hand - vor dem prasselnden Feuer. Manchmal, wenn der Ofen nicht mehr genug Programm bietet, lesen wir ein Buch. "111 Orte, die man im Bayerischen Wald gesehen haben muss“, zum Beispiel. Der Band liegt versteckt auf einem Stapel Zeitschriften in der Ferienwohnung.
Als uns nach dem dritten Tag Sturm vor der Tür die Decke in der Wohnung ein wenig zu tief vorkommt, fahren wir kurzerhand an einen der 111 Orte. Um genau zu sein nach Bad Kötzting, um Gerhard Liebl in seiner Whiskeydistellerie zu besuchen. Die haben in Deutschland immer mehr Hochkonjunktur, erfahren wir, besonders im Süden. Bei der privaten Führung durch die Anlage erzählt er von der Geschichte des Bayerischen Waldes, der Armut, der Beschaffenheit des Bodens und wie er dazu kam, Whiskey herzustellen. Als er den Betrieb von seinem Vater übernahm, war es eine reine Bärwurzbrennerei gewesen. Der Whiskey sei eine Investition in die Zukunft. Zwei Fässer tragen die Namen seiner Kinder. Sie sollen sie bekommen, wenn sie 18 werden. Nicht etwa für den Eigenbedarf. Bis dahin, davon geht Gerhard Liebl aus, sind die beiden Fässer mehrere Tausend Euro wert.
In den folgenden Tagen klärt sich das Wetter und wir können das tun, weshalb wir vor allen Dingen da sind: Wandern. Und die Natur, das muss man wirklich sagen, die ist im bayerischen Wald wirklich erholsam und schön. Hügelige Wälder, schöne Aussichten, wenige Menschen, vereinzelte Höfe und stundenlanges Wandern auf unberührtem Schnee - ohne auch nur einer Menschenseele zu begegnen. Vielleicht ist es dort fast so schön wie in meiner Heimat, dem Schwarzwald. Aber nur fast, natürlich. Abends kehren wir in unsere gemütliche Wohnung zurück, schmeißen ein paar Scheite in den Ofen und kochen etwas für den leer gewanderten Magen.
Die Menschen begrüßen uns freundlich, wo auch immer wir hingehen. Sie sind hilfsbereit und herzlich. Im Supermarkt wird jede Begegnung vom Personal mit einem fröhlichen "Grüß Gott" quittiert. An der Kasse herrscht Ruhe und Zeit. Die ausländische Familie, die sich Gemüse in den Einkaufswagen füllt, beobachten wir mit Bewunderung. Eine weltoffene Metropole ist der bayerische Wald trotz aller Freundlichkeit nicht.
Wehmütig packen wir am Ende der Woche unsere Wanderklamotten wieder ins Auto. Vom Nudelsalat ist nichts mehr übrig, vom mulmigen Gefühl auch nicht. Des passt scho. Sagen wir während die Musik aus dem Autoradio tönt und planen, wann wir das nächste Mal wieder kommen.
Reiseführer
Erschienen im Michael-Müller-Verlag, ist der Band "Bayerischer Wald" ein geeignetes Nachschlagewerk, Anlaufstelle für die Restaurantsuche und kleiner Wanderführer in einem.
Erlebnishof "Alte Mühle"
Sankt Englmar ist schon einen Ausflug wert, das Restaurant-Café "Alte Mühle" bietet uriges Stubenflair, Obatzer und Brezn dazu. Netter Service.
Alte Mühle 1, 94378 Sankt Englmar
Tipps für Accomodation, Food & Lektüre
Ferienwohnung Kreut 3
Die Ferienwohnung in Konzell von Familie Nagels ist ein wunderbares Refugium mitten in der Natur. Ein Paar oder eine kleine Familie findet locker Platz. Im Winter lockt der Kaminofen, im Sommer die riesige Sonnenterrasse. Duschen mit Aussicht inklusive. Absolut zu empfehlen.
Wanderführer
Mit den "Entdeckertouren Bayerischer Wald" von Herwig Slezak (erschienen bei Bruckmann) finden auch Ungeübte sicher den Weg. Tolle Tourenauswahl, zuverlässige Beschreibungen (noch nie so zielgerichtet über eine Kuhwiese gewandert) und die Smileys helfen bei der Tourenauswahl. Absolutes Musthave für einen Wanderurlaub im bayerischen Wald.